„Wenn wir die Ursache herausfinden, ist der Konflikt gelöst!“ – Nicht unbedingt.
Wenn es um die Ursachenforschung bei der Konfliktbewältigung geht, gibt es keine Regel. Nicht jeder Konflikt im Arbeitskontext hat eindeutige strukturell-organisationale Ursachen. Ich habe häufig mit „vererbten“ Konflikten zu tun, deren ursprünglich Beteiligte längst nicht mehr Teil des Teams sind. Konflikte sind komplex, und die Ursachen oft gar nicht mehr ausschlaggebend.
Manchmal ist es ganz einfach, wie im Fall eines Konfliktes zwischen zwei Kollegen eines Materiallagers / Poststelle. Material und Post kamen nicht mehr zuverlässig bei den Endverbraucher:innen an, also: Mediation. Die Konfliktbeteiligten redeten kaum miteinander und siezten sich, was in dem Materiallager unüblich war.
Heureka, die Konfliktursache war eindeutig (und kam natürlich nicht so schnell auf den Tisch, wie es jetzt klingt): Die Konfliktbeteiligten waren im Alter von 17 Jahren gemeinsam in einer Schulklasse. Nennen wir sie Tobias und Henning. Henning hatte endlich eine Freundin gefunden. Doch nach kurzer Zeit war Tobias mit dieser Freundin zusammen. Henning litt still. Als Tobias zufällig sein neuer Arbeitskollege wird, merkt Henning, dass die Kränkung von damals noch nicht geheilt ist. Damals, das war vor 30 Jahren!
Das war übrigens mit 3 Stunden meine kürzeste Mediation, die ich jemals durchgeführt habe.
Für die Ursachenforschung in Konflikten gibt es keine Regel. Ursachenforschung ist Vergangenheitsbewältigung. Es gilt von Fall zu Fall auszuloten, was die Konfliktbeteiligten brauchen, um zu einem tragfähigen Miteinander zu kommen. Konfliktbewältigung heißt, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu würdigen und zum gegenseitigen Verständnis zu ermuntern. Und wenn du 30 Jahre zurückgehen musst, ist das so.